Paris als absolutes Zentrum der "Grande Nation" hat seine Verkehrsstruktur seit Ende der 1970er Jahre vollkommen umgekrempelt. Überraschenderweise gab es davor keine S-Bahn wie im deutschsprachigen Gebiet; nur einige eher altersschwache Vorortbahnen verbanden die "Banlieu" mit der Stadt, auch die Métro endete meist an der Stadtgrenze. Das änderte sich, als 1977 zwei solcher Bahnen als "RER A" und eine weitere als "RER B" im Stadtzentrum verknüpft wurden. Bei Châtelet-Les Halles entstand dabei der wahrscheinlich größte unterirdische Verkehrsknoten der Welt; seither wurde das Netz laufend erweitert. Auch das Métronetz wurde seitdem ergänzt, das größte innerstädtische Projekt dabei ist die M14 - sie verkehrt vollautomatisch ohne Fahrer in dichtem Intervall und ist damit Prototyp für den U-Bahn-Verkehr der Zukunft. Nach ihrem Erfolg wurde die älteste Linie der Stadt, die M1 während des laufenden Betriebes ebenfalls auf fahrerlosen Betrieb umgerüstet, derzeit (2020) ist die Nord-Süd-Magistrale, die Linie 4, in Arbeit.
Wirklich großes wird aber außerhalb der Kernstadt bewegt: "Grand Paris Express" ist ein Gesamtpaket, das bis ca. 2030 etwa 200 Kilometer neuer Metrolinien in der Peripherie vorsieht. Hier wird an vier neuen Linien mit etwa 70 Stationen gebaut, der Kostenrahmen beträgt derzeit 35 Milliarden Euro. Verknüpft werden diese Linien mit verlängerten Métro-Strecken des Altnetzes.
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Aber nicht nur unterirdisch setzt Paris Maßstäbe - der ersten Straßenbahnlinie folgte 1997 mit der T2 eine umgebaute Vorortstrecke, die nur an den Enden ihre Bahntrasse verlässt und im Straßenraum verkehrt. Sie kann eher als Lokalbahn oder "Tram-Train" gesehen werden.
Nach den Erfolgen in der Provinz und der Peripherie war es nun endlich an der Zeit für die fulminante Rückkehr der Tram innerhalb der Grenzen von Paris. Fast 70 Jahre nachdem die "schwerfälligen und rumpelnden Monster", wie man sie seinerzeit beschrieben hatte, ins Depot geschickt wurden, gleiten nun elegante Züge durch einen völlig verwandelten städtischen Boulevard, der von einer vielspurigen Verkehrshölle zu einem Musterbeispiel des Stadtumbaus wurde. Die neue T3 wurde von den Benutzern begeistert angenommen; nach wenigen Jahren ist sie mit 270.000 täglichen Fahrgästen eine der stärksten Linien Europas. Fast unmittelbar nach der Eröffnung wurde schon mit ihrer Erweiterung begonnen, inzwischen umschließt sie zwei Drittel der Stadt.
Im Osten entstand unter der Regie der Staatsbahn ein "Tram-Train", eine Mischform zwischen Tramway und Eisenbahn als T4. Weitere neue Linien sind im Norden und Süden geplant. Paris ist von der Industrie hart als prestigeträchtiger Platz für Vorzeigeprojekte umkämpft, und leider war die Politik nicht standhaft genug, dem zu widerstehen - und so sind die verschiedenen Straßenbahnsysteme untereinander nicht kompatibel. So sind Wagen der T3 breiter als die bisherigen, die T4 verwendet ein völlig anderes Stromsystem, und die neuen Linien 5 und 6 wurden als "Tramway sur Pneus", als Busbahn gebaut. Besonders nachteilig ist das im Norden, wo sich ein richtiges Straßenbahnnetz hätte entwickeln können. Hier wurden Entwicklungschancen auf lange Sicht verspielt.
Derzeit werden die Investitionen weiter erhöht, die RATP als Mobilitätsdienstleister expandiert auch im Ausland als Betreiber von Verkehrsnetzen. Mit der Entscheidung zu einem neuen Metroring um die Stadt sind allerdings die Mittel dort gebunden; nach den Straßenbahnlinien 9 und 10 ist vorest mal Pause.
Moderne Straßenbahnen in Paris
Die Lage der neuen Linien im Verhältnis zur Métro
Kompatibilität der Linien zueinander
Alle aktuellen Ausbaupläne auf der Seite der STIF
Ein zusammenfassender Artikel auf ORF.at
Ein weiterer Artikel der Süddeutschen Zeitung
The Guardian zeigt Fotos von Laurent Kronental zum Thema Peripherie
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Letzte Änderung: 4.5.2020