Nach der Jahrtausendwende



Am Beginn des 21. Jahrhunderts präsentiert sich Wien als eine der schönsten und lebenswertesten Städte der Welt. Der Staub der 50er und 60er ist ebenso verzogen wie die zerstörerischen Autobahnpläne der 70er. Gesamt gesehen hat die eigenartig konzeptlose Stadtplanung das Kunststück vollbracht, nicht allzuviel falsch zu machen - wahrscheinlich, weil in Wien alles etwas länger dauert als anderswo und etwas schlampiger umgesetzt wird. "Wien kommt im richtigen Moment zu spät", so ein Bonmot eines Verkehrsplaners. Viele Erfolge passierten eher zufällig, wie die Lokalmeile "Copa Kagrana" am Strand der neuen Donau; andere hochfliegende Pläne wie die geplatzte Weltausstellung und die Nachnutzung als Stadtentwicklungsgebiet gingen daneben oder kamen nur langsam in Fahrt.

Um Infrastrukturkosten zu sparen, hat man sich zwar auf grundlegend richtige Konzepte wie innere Stadtverdichtung statt Erweiterung an der Peripherie geeinigt; andererseits werden neue U-Bahn-Linien in exakt die Gebiete gebaut, in denen eigentlich keine Stadtrandsiedlungen entstehen sollten. Die Verbauung der großen Brachflächen geht nicht so schnell voran wie erwartet (Nordbahnhof, Donauplatte, Aspangbahnhof, Hauptbahnhof), andererseits werden neue Projekte wie die Seestadt begonnen - und nirgendwo erreicht man wirklich die kritische Dichte und Größe, die urbanes Leben entstehen ließe.

Die U-Bahn wird als Allheilmittel gesehen, jedes andere Schienenverkehrsmittel ist uninteressant. So werden nicht nur immer noch Straßenbahnlinien durch U-Bahnstrecken ersetzt, auch die S-Bahn wird durch Parallelführungen konkurriert. Während für die U-Bahn nichts zu teuer ist, können sogar geringfügige Tramwayverlängerungen kaum realisiert werden; der Zustand des bestehenden Netzes wird immer schlechter, Störungen häufen sich.

Der Erfolg der letzten 20 Jahre erscheint so enorm, dass die Kehrseiten übersehen werden. Einige spektakuläre Fehlplanungen entwerten das U-Bahn-Netz, zum Beispiel, dass die U1 am Südbahnhof vorbeifuhr - erst 35 Jahre später wurde das mit dem neuen Hauptbahnhof korrigiert. Auch der Bahnhof Meidling musste erst an die westlicher liegende U6 herangerückt werden. Bei den neueren Stationen, vor allem der U3, werden die Umsteigewege immer länger. Weiterhin wird die U-Bahn ohne Rücksicht auf bestehende oder aktivierbare S-Bahn-Trassen gebaut (U6 Nord), sodass hier Milliardenbeträge in unwirtschaftliche Parallelfürungen verbaut werden. In den riesigen Stadtteilen jenseits der Donau, durch ein Gewirr von unattraktiven Buslinien mangelhaft erschlossen, ist außer dem nur punktuell wirksamen Neubau der U2 keine Verbesserung in Sicht. Die bornierte Weigerung der Verkehrsbetriebe, Liniengabelungen zuzulassen, macht die U-Bahn für jede Flächenbedienung ungeeignet und bürdet den Benutzern bis in alle Ewigkeit Umsteigeorgien auf.

Die Ablehnung zeitgemäßer Schnellstraßenbahntrassen als Alternative und Ergänzung besteht weiterhin, viele Pläne verschwanden in der Schublade; erst in den letzten Jahren wurde endlich zumindest die Linie 25 als Ergänzung der neuen U2 realisiert. Die Chance, mit dem Neubau auch die durchfahrenen Straßen aufzuwerten, wurde nicht genutzt, optisch ist die Trasse kein Gewinn. Obwohl es im Ausland mittlerweile eine unübersehbare Menge von beispielhaften Betrieben gibt, bleiben die Wiener SPÖ von diesen sparsameren und schnell wirksamen Möglichkeiten unbeeindruckt, obwohl sogar die Wagen einiger erfolgreicher Tramwaystädte (Köln, Saarbrücken, London-Croydon, Marseille...) in Wien hergestellt werden. Erst der Eintritt der Grünen brachte die Tramway wieder vermehrt in den Fokus, allerdings wurde keines der 2010 versprochenen Projekte realisiert. Wichtige Beschleunigungsmaßnahmen werden von Bezirkspolitikern blockiert, die lieber eine U-Bahn hätten; im Falle des 10. Bezirks erfolgreich: Die Pläne für eine Beschleunigung der Linie 67 wurden von der Bezirksvorsteherin so lange strikt abgelehnt, bis dort tatsächlich die Verlängerung der U1 errichtet wurde.

Abgesehen von den U-Bahn-Verlängerungen wurde endlich die Flughafenschnellbahn ausgebaut. Leider nicht zum Vorteil des Bürgers: Das 30-Minuten-Intervall wurde nicht verdichtet, um den Betrieb des privaten "CAT" zu ermöglichen. Hier wurde Steuergeld "privatisiert", die neuen Stationen werden nur halbstündlich bedient.

Darüber hinaus gibt es derzeit nicht allzuviele Aussichten auf Netzverbesserungen. Die wenigen Tramwayverlängerungen sind halbherzig konzipiert und werden laufend nach hinten verschoben; echte Beschleunigungsmaßnahmen nicht durchsetzbar. In den letzten Jahren der SPÖ-Alleinregierung vollzog sich ein Schwenk zurück zu autofreundlicherer Politik; seit die Grünen das Verkehrsressort übernommen haben hat sich daran nicht allzuviel geändert, weiterhin wird an riesigen Autobahnprojekten (Lobautunnel) festgehalten. Massiv wurde in geförderte Tiefgaragenplätze investiert, obwohl das "Parkpickerl" - Parkberechtigungen nur für Bezirksbewohner - eine deutliche Entspannung der Parkplatzsituation gebracht hat. Auch die Stellplatzverpflichtung verteuert neue Wohnbauten, die Garagen stehen dann oft leer, weil das Parken auf der Straße immer noch biliger und praktischer ist. Die Chance, mit der Einführung der Parkraumbewirtschaftung Flächen für ÖV, Fußgänger und Radfahrer zurückzugewinnen wurde nicht genutzt.

Das "Rechnergesteuerte Betriebsleitsystem", kurz RBL, das den Straßenbahnbetrieb hätte beschleunigen sollen, hat nicht gehalten, was versprochen wurde. Die Ausstattung mit Wartezeitanzeigen ist immer noch nicht flächendeckend. Eine große, lang geforderte Verbesserung gab es allerdings: Die neuen Ringlinien 1 und 2 wurden zum Erfolg mit stark gestiegenen Fahrgastzahlen; die Verlängerung der Linie 71 zur Börse wurde von der Simmeringer Bezirksvorstehung ebenso torpediert wie sinnvolle Verbesserungsnahmen bei den Straßenbahnlinien im eigenen Bezirk. Inzwischen ergänzt der 71er endlich den Verkehr am Ring, und bei der letzten Wahl 2015 wurden die Sozialdemokraten abgewählt...

Die einzige große und wichtige Neuerung bei der Straßenbahn sind die Niederflurzüge der Typen A und B, bekannt unter dem Namen "ULF" für Ultra Low Floor. Nach langer Erprobungszeit bewähren sich die Wagen seit 1998 im Alltag und bringen für den Fahrgast deutliche Verbesserungen, bei allerdings unterdurchschnittlicher Zuverlässigkeit. Auch die unregelmäße Aufteilung der Züge ist oft Anlass zu Kritik.

Das in den letzten Jahren erneut eingeführte Nachtbussystem ist durchdacht und hat sich grundsätzlich bewährt, es ist allerdings stark defizitär. 2010 als Wahlzuckerl eingeführt, wird in den Freitag- und Samstag-Nächten die U-Bahn nun durchgehend betrieben. Insgesamt haben sich die Fahrgastzahlen im Nachtbetrieb dadurch gegenüber früher etwa verdreifacht.

Die von Lokalpolitikern immer wieder gewünschten U-Bahn-Verlängerungen (U4 nach Auhof oder Klosterneuburg, U6 zur Shopping City oder nach Norden) sind nicht vorgesehen. Die U-Bahn-Planung konzentriert sich derzeit auf die U2/5, dazu mehr auf der nächsten Seite.

Die große Zeit der Wiener Tramway wird heute im Wiener Tramwaymuseum hochgehalten; etwa hundert Fahrzeuge machen es zum größten der Welt.


Citytram statt U5
Rathaus, Verkehr und Stadtplanung


Auf Schienen in die Zukunft?

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