Tramway.at Modellbau Der "Gürtelboulevard" Gewerbebetriebe




Das obige Luftbild aus den 1930ern zeigt eine typische Situation auf der Wienzeile: Reste alter Hinterhöfe, vielfach umgebaut, und daneben ein "modernes" Gründerzeithaus mit der Fassade Richtung Wienfluss. Die alten Strukturen stammen noch aus der Zeit vor der Wienflussregulierung, die Häuser waren damals zur dahinter liegenden Mollardgasse orientiert. Mit dem Bau der Wientalstraße wurde dieser Altbestand nach und nach abgerissen. Die letzten Spuren davon konnte ich aber noch 2005 fotografieren, und eine solche unregelmäßige Struktur ist die ideale Auflockerung in der Straßenflucht meiner "Gürtelhäuser".

Ich begann mit ersten Skizzen, um mich an die Strukturen heranzuarbeiten. Mein freies "Grundstück" ist quadratisch und recht tief, so wurde es in zwei Parzellen geteilt. Im Lauf der Zeichenarbeit wurden die Skizzen genauer, die Motive konkreter: Links ein altes kriegsbeschädigtes Wohnhaus mit paar Schuppen und einer kleinen Werkstatt im Erdgeschoß, rechts eine Lackiererei, die aus einer alten Kutschen-, später Autowerkstatt hervorging. Die vielen Umbauten haben Spuren hinterlassen, zum Beispiel wurde rechts der Fabrikshalle in den 1930er Jahren ein kleiner Bürotrakt gebaut - ähnlich wie am Vorbild. Dann wurde das Ganze mal in einen CorelDraw-Plan gegossen, verschiedene Grautöne deuten die unterschiedlichen Höhen der Baukörper an. Da die Bastelkiste voll mit Resten ist und ich derzeit keine neuen Messingteile ätzen lassen kann habe ich etliche vorhandene Türen, Fenster und Dächer eingeplant, auch, um ein möglichst vielfältiges Bild zu erzielen..

Als die Baukörper fixiert waren, habe ich sie in einzelne Baugruppen aufgeteilt und die Wände so zugeordnet, dass die Fugen möglichst verborgen sind. Am mittleren Bild sieht man diese Aufteilung mit unterschiedlichen Farben dargestellt, dazu bereits eine Ansicht der Straßenfront. Damit sind die Dimensionen der Wände bekannt, und die Vorlagen für den Laserschnitt können gezeichnet werden.

Nun folgt ein Ausdruck auf normalem Papier, um die Sache mal provisorisch aufstellen und die Maße überprüfen zu können - und voilà, alles schaut soweit plausibel aus! Nun stelle ich die Zeichungen fertig, verfeinere, detailiere und dekoriere die Oberflächen, dann geht die Sache zum Lasern.

Einge Tage später sind die Teile da (gesamt € 183,-), nun gehts ans sortieren. Dann: grundieren, Aufbaureihenfolge überlegen, Grundplatte vorbereiten, erste Baugruppen verkleben, erste Farben auftragen. Ich habe diesmal einiges an Altteilen aus der Bastelkiste mitverplant, da ich derzeit keine Möglichkeit habe, Messing zu ätzen.


Wie üblich gibt es eine (erfundene) Baugeschichte, um die Gebäude glaubwürdig zu machen. Die frühere Sattlerei wurde in den 1930er Jahren, als sich die Autos langsam durchsetzten, vom Juniorchef umgebaut: Eine neue Einfahrt wurde in die Ziegelfassade gebrochen, der ganz rechte Teil abgerissen und durch einen Bürotrakt ersetzt (die über die Ecken gehenden Fenster sind typisch für diese Zeit). Das dunkle Türkis, damals der letzte Schrei, ist allerdings inzwischen etwas verblichen.

Bei diesem vielfältigen Ensemble versuche ich, einige Techniken auszuprobieren. Für die flache Dachdeckung des beschädigten Wohngebäudes (das Original stand an der Wienzeile und ist 1946 teilweise eingestürzt) habe ich eine Deckung aus Zinkblech angenommen, das habe ich mit Streiferln von Tesakrepp plus sehr dünner Polystyrolleisten realisiert. Dabei müssen die Streiferln von der Traufe zum First geklebt werden, damit die leichte Überlappung richtig liegt. Die fertige Platte wird dann mit schwarzer Lasur eingestrichen, danach mit beigen Pulverfarben eingerieben. Zuletzt noch schwarze Pigmente und ganz wenig "burned Siena", um den Flugrost anzudeuten. Beim Wellblech habe ich die alte Dachplatte teilweise mit Stanniolpapier aufgedoppelt, danach braun gestrichen und mit Pigmenten eingerieben (könnte noch etwas dunkler sein, lässt sich aber jederzeit nachbearbeiten).

Nach dem Zinkblechdach hab ich diese Technik bei der Dachpappe-Imitation eingesetzt. Auch hier: Tesa-Abdeckband bemalt, in Streifen geschnitten und aufgepickt - das ist watscheneinfach, praktisch kostenlos und schaut realistisch aus. Allerdings ist es ein bissl Arbeit, die kleinen Streifen zu positionieren. Nach der Dachdeckung habe ich das dann noch mit einem grauen Pulverfarbengemisch eingerieben und mit schwarz die Stöße herausgearbeitet. Als Vergleich links eine Nahaufnahme eines älteren Projektes mit in der oft verwendeten Schleifpapier-Eindeckung - da weiß man zwar, was gemeint ist, aber realistisch schaut das aus der Nähe nicht aus.

Zur Färbung der Fassaden: Hier tupfe ich mit kleinen Schwämmchen die Farbe direkt auf, bis mir Ton und Struktur gefällt. Dann wird das ganze mit heller Pulverfarbe "ausgeblichen", etwas mehr, wo das Regenwasser runterrinnt. Die typischen Wiener Kastenfenster sind einfach: Eine gelaserte Papierschicht mit den inneren Fensterkreuzen, der "Körper" entsteht aus den beim Lasern herausgefallenen Klötzchen der Fensteröffnungen. Außen drauf dann geätzte Fenster, zur Montage hat sich Sprühkleber bewährt.

Nun gehts an die Details. Die offenen Spalten in der Fassade (die Gebäude sollen wegen der Beleuchtung zerlegbar bleiben) kaschiere ich mit Abluftrohren, die ich aus Bastelkistenresten zusammenbaue.

Zulezt noch das ganze Kleinzeug, das die Höfe belebt - hier kann man sich ohne Ende austoben. Dazu noch die leichte Bemoosung der Böden und Dächer - nun fehlen nur noch einige Schornsteine und die Messingteile der Pavlatschen im Hinterhaus, sowie die Beleuchtung.

Alle Fotos der Bauphase

Alle Fotos des fertigen Projekts


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