Wien - Das U-Bahn-Zeitalter

Die beginnenden 80er Jahre standen im Zeichen der U-Bahn. Schlag auf Schlag wurden die Linien etappenweise eröffnet, das Straßenbahnnetz verlor gleichzeitig wichtige Zusammenhänge. Der Glanz des nagelneuen und scheinbar extrem schnellen Verkehrsmittels überstrahlte alles - auch, dass man zwar in 6 Minuten 4 Stationen durchbrausen konnte, das Umsteigen aber jeden Zeitgewinn gnadenlos auffraß. Besonders auffällig war das bei der Umstellung der 3 langen Zweierlinien auf die Kurz-U-Bahn "U2" (rechts ein Bild einer Abschiedssonderfahrt kurz vor Einstellung des Tramwaybetriebes) Die Tramway hatte aber gegen das Image der sauberen und computergesteuerten U-Bahn, damals noch ohne Gammler und Drogensüchtige, keine Chance, waren doch erst in den letzten Jahren davor die alten Holzkastenwagen endgültig verschwunden.

Während die U1 eine echte Neubaustrecke ist und als erstes Schienenverkehrsmittel das Zentrum erreicht, entstand die U4 aus der abgewirtschafteten Stadtbahn. Da damals die Niederflurtechnik noch nicht entwickelt war, entschloss man sich ebenfalls für den Voll-Ausbau, auch in Hinblick auf eine Einbindung der U2. Hier die Originalankündigung aus einem damaligen Prospekt. Diese Einbindung war eigentlich ein Hauptargument für die Ustrab-Umstellung, wurde aber ein furchtbares Debakel mit Fehlfahrten und Fahrplanchaos und nach bereits 14 Tagen wieder aufgegeben. Mehr als 30 Jahre fehlte dann die wichtige Verbindung Richtung 2. Bezirk, bis dann 2013 die U2 über Praterstern zum Stadion verlängert wurde.

1982 war mit der Eröffnung der U1 nach Kagran das Grundnetz fertig. Auf dem Bild fährt ein Zug vor dem Hintergrund der UNO-City in die Reichsbrücke ein.

Da wegen des enormen Aufwandes klar wurde, dass die optimistischen Netzpläne ein Projekt für etliche Jahrzehnte sind, wurde der Straßenbahn wieder etwas mehr Aufmerksamkeit zuteil. In einer Volksabstimmung sprachen sich 80% der Teilnehmer für eine generelle Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs aus. Dieser Plan zeigt die Straßen, in denen die Straßenbahn mehr Transportleistung als der Autoverkehr erbringt, alleine das wäre Grund genug, die entsprechenden Strecken kompromisslos zu optimieren.

Leider blockiert eine unselige Allianz von Verhinderern nachhaltige Beschleunigungspläne, darunter nicht nur die allmächtigen Autofahrerverbände, sondern auch die Gewerkschaft, die sehr gemütliche Fahrzeiten für die Fahrer durchzusetzen weiß. Leider haben die Wiener Linien, wie der Betrieb mittlerweile heisst, wenig Elan, sich gegen diese Blockierungen wirkungsvoll zur Wehr zu setzen.

Ein Wiener Wunder der 1980er Jahre war die fulminante Wiedererauferstehung der Vorortelinie, in einer Zeit, in der die Philosophie der inneren Stadterneuerung und des Denkmalschutzes ihren Höhepunkt hatten. Die jahrzehntelang nur im Frachtverkehr genutzte Strecke wurde liebevoll erneuert, die Stadtbahnhaltestellen von Otto Wagner sensibel originalgetreu renoviert. Als S45 ist die Linie heute erfolgreich als Schnellbahn in das Wiener Netz integriert.

Die 90er Jahre brachten weitere U-Bahn-Ausbauten. In einer zweiten Ausbaustufe wurden die U3 als Ost-West-Innenstadtquerung und die U6 als Verlängerung der alten Gürtelstadtbahn fertiggestellt; letztere wird weiterhin mit straßenbahnartigen Fahrzeugen betrieben, ergänzt um Niederflurwagen, von denen zumindest einer in allen Zügen eingereiht wird.

Im Straßenbahnnetz kann man von einer gewissen Stabilisierung sprechen; im Gegensatz zu wirkungsvollen Beschleunigungsmaßnahmen finden Intervallverdichtungen natürlich die Zustimmung der Gewerkschaft, das führt zu angenehm kurzen Zugsfolgen. 15-Minuten-Intervalle, die in vielen anderen Städten üblich sind, wären in Wien undenkbar. Bis 22.00 wird mindestens ein 10-Minuten-Intervall angeboten, das natürlich tagsüber noch wesentlich dichter ist. Nach Wegfall von durch U-Bahnen ersetzten Strecken konnte der Wagenpark auf die Gelenktriebwagen reduziert werden.

Später als in den meisten anderen Städten fuhren in Wien die letzten schaffnerbesetzten Züge. 1996, an einem nasskalten Dezembertag, fuhren die letzten Züge der eleganten Type C1 auf der Linie 46; für die letzte Runde wurde eigens der Museumswagen 141 aus dem Tramwaymuseum geholt.

Die letzten Schaffner wurden von lokalen Reporter- und Filmteams belagert und erhielten goldene Zwickzangen zur Erinnerung. Die originalen Fahrscheinblöcke und Zangen werden nun im Tramwaymuseum präsentiert; allerdings sind die gezeigten "letzten Schaffnerfahrscheine" ein wenig geschummelt, da sie erst nach der Fahrt "gezwickt" wurden. Den tatsächlich letzten Fahrschein habe ich ergattern können, ich ließ ihn bei der Ankunft in der Endstation von der Schaffnerin entwerten.


Die letzten 20 Jahre

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