Warum gerade Tramway?

...und nicht Bus, U-Bahn, Kabinenbahn, Einschienenbahn?

Viele Beispiele auf dieser Website haben mit der Wiener Straßenbahn wenig zu tun. Die Züge auf den Fotos schleichen nicht mit 15 km/h über Weichen, müssen nicht vor jeder Ampel auf ihr Freisignal warten. Die Betriebe werden von den Stadtverwaltungen bewusst als Symbol für Modernität, für einen Technologieschub eingesetzt.

Warum aber gerade eine altmodische Tramway? Gibt es nicht soviele moderne Alternativen? Spurbus, Cable-Liner? Magnetbahn, Kabinenbahn?

Und warum überhaupt öffentlicher Verkehr? Hätten die Autos nicht endlich genug Platz, wenn der öffentliche Verkehr unterirdisch wäre?

In Wien werden ganz grob etwa ein Drittel aller Wege mit dem Auto, ein Drittel mit den öffentlichen verkehrsmitteln und ein Drittel unmotorisiert zurückgelegt. In Wien sind etwa 650000 PKW angemeldet - diese erbringen also die selbe Verkehrsleistung wie ca. 200 U-Bahnzüge, 500 Straßenbahnen und 500 Bussse. Allerdings dominieren die Automobile optisch und akustisch das Stadtbild und beeinträchtigen damit die Lebensqualität aller Bürger.


Vorteil Stadtbildverträglichkeit

Zwei Beispiele, wie Verkehrsbänder aussehen können: Links eine U-Bahn in Niveaulage, am rechten Bild eine französische Tramwaytrasse. Mit dem Geld, das man sich durch den Verzicht auf teure U-Bahnen spart, kann man das ganze Stadtviertel aufwerten, die durchfahrene Straße sorgfältigst neu gestalten. Voll- oder U-Bahnen im Niveau bilden dagegen unüberwindbare Barrieren, wenn man sie nicht um viel Geld unterirdisch führt.

U1 Leopoldau Rasengleis in Nantes

Mehr zum Thema Stadtgestaltung und Rasengleis sowie
im Buch "Die Zukunft der Städte"


Vorteil Barrierefreiheit

Keine Stiegen, keine Rolltreppen, keine Lifte sind notwendig, um den Wagen zu erreichen; die heutigen Niederflurzüge kommen dem Fahrgast entgegen. Das betrifft nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern vor allem Leute mit Kinderwagen sowie ältere Personen - diese werden künftig einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung bilden.


Vorteil Kapazität

Je nach Anzahl der zu befördernden Personen sind verschiedene Betriebssysteme sinnvoll. In dicht bebauten Großstädten mit kurzen Wegen ist der Bus oft zu klein und eine U-Bahn zu aufwendig.


Vorteil Schnelligkeit

Die typischen Distanzen in kompakten Städten wie Wien sind so gering, dass es sich nicht auszahlt, einige Stockwerke in die Tiefe zu fahren, um nach 2 oder 3 U-Bahn-Stationen wieder an die Oberfläche zu müssen. Ein Beispiel: Die Straßenbahnlinie 58 war auf der Mariahilfer Straße vom Ring zum Westbahnhof etwa 8 Minuten unterwegs, die U3 ist nur 4 Minuten schneller. Diese 4 Minuten braucht man aber jedenfalls, um durch lange Gänge zum U3-Bahnsteig und wieder an die Oberfläche zu kommen. Gerade im Bereich Mariahilferstraße ist besonders deutlich, da eine U-Bahn-Station zwei Tramhaltestellen ersetzen muss, die Stationen erreichen Längen von fast 300 Metern. Die schematische Skizze von Ronald Durstmüller macht das Problem deutlich.

Unpraktisch wird es aber, wenn man zu Zielen abseits der U-Bahnlinie will: Die Umsteigerei kostet Zeit - die leider aufgelassene Tramway hätte spielend die Nase vorn. Auch der durchschnittliche Stationsabstand ist bei der Tram mit durchschnittlich 350 Metern wesentlich attraktiver als bei der U-Bahn mit etwa 780 Metern. Da die U-Bahn die Fläche nicht bedienen kann, müssen erst recht wieder aufwendige Zubringerlinien geschaffen werden, die für sich wenig Verkehrswert haben - ein Beispiel: die Ersatzbusse für die aufgelassene Straßenbahn 21 (Linie 21 rot, U2 lila, Busse: schwarze Linien).


Vorteil Fläche zu Linie

Straßenbahnlinien sind etwa um den Faktor 10 billiger als U-Bahnen. In den Flächenbezirken wären mehrere aufgefächerte Straßenbahnlinien besser als eine U-Bahn-Achse, die lange Zugangswege und damit Zubringerbuisse erfordert - eine U-Bahn kann nur einen Korridor abdecken, nicht große Flächen. Der Umbau der Schnellstraßenbahn 64 auf U6 (Schöpfwerk, Alt Erlaa) oder der Linie 67 (Favoriten) war aufwendig, der Nutzen im Vergleich zu einer flächigen Erschließung aber überschaubar.

Fotos: Wien, Schöpfwerk mit Tram 64 und U6




Vorteil Spurführung

Durch die Spurführung sind längere Fahrzeuge möglich, die ein vielfaches von Gelenkbussen transportieren können. Die vermeintliche Schwäche, dass ein Schienenfahrzeug Hindernissen wie Falschparkern nicht ausweichen kann, ist in Wahrheit eine Stärke: Mit dem Wissen, dass der Bus ja ausweichen kann, parken Autofahrer gerne "kurz mal" in Busspuren. Auf den klar sichtbaren Gleisen traut man sich das weniger. Auch der Begegnungsverkehr in engen Straßen ist problemlos, während der Bus die in der Straßenverkehrsordnung vorgeschriebenen Seitenabstände einhalten muss.


Vorteil Lebensdauer

Straßenbahnwagen können üblicherweise 30 bis 50 Jahre lang genutzt werden; die Kosten aufgerechnet auf die Lebensdauer sind daher gering. Natürlich ist die Anlage der Geleise aufwendig, aber auch stark mit Bussen befahrene Straßen müssen wegen der entstehenden Spurrillen oft ausgebessert werden.


Vorteil rasche Verfügbarkeit

Während zwischen der Entscheidung, eine U-Bahn zu bauen und der Eröffnung viele Jahre liegen (an der U2/5 wird seit 2014 gebaut!), kann eine Straßenbahn bereits nach einem Jahr fahren. Auch die Kostenunterschiede sind enorm: Ein Kilometer U-Bahn kostet je nach Aufwand soviel wie 10 bis 20 Kilometer Tramway!


... und warum keine Kabinenbahn?

Diese Bahnen, die von Politikern immer wieder gerne ins Gespräch gebracht werden, waren ein Liebkind der technokratischen 1970er-Jahre. Die Ingenieure blieben allerdings viele Antworten schuldig: Die nötigen Trassen wären keine Bereicherung des Stadtbildes; die unbegleiteten Kabinen wären abends sicher kein Ort zum wohlfühlen, technische Fragen bleiben ungelöst. Die Transportkapazität ist gering.

Alle Versuche in diese Richtung gescheitert. Wenn Politiker solche "Gadgetbahnen" ins Spiel bringen geht es in Wahrheit darum, den Anschein von Modernität zu erwecken, während man eigentlich nichts tun will. Negativbeispiel dafür ist Graz: Eine klassische Tramwaystadt, deren Bürgermeister mit Phantastereien von Spurbus,"Murgondel"-Seilbahn und Minimetro Unmengen an Zeit und Geld vergeudet hat.

Unten Bilder solcher Testanlagen, die heute natürlich nicht mehr existieren.

Kabinentaxi Kabinenbahn Matra Paris Kabinenbahn Matra Paris

Solche Systeme bleiben Nischenlösungen beispielsweise für Flughäfen, wobei in Paris/Charles-de-Gaulle eine Kabinenbahn gescheitert ist und wieder abgebaut wurde; nun verkehrt dort eine kleine Metro. Auch der "Sky-Train" am Frankfurter Flughafen funktionierte lange nicht richtig.

Das einzige Alternativsystem ist die auf Gummireifen fahrende VAL-Métro in Frankreich, die aber wegen der kleinen Fahrzeuge nicht nur zu geringe Transportkapazität, sondern auch die Nachteile der U-Bahn (Eigentrasse) aufweist. Versuche mit spurgeführten Bussen in Deutschland blieben erfolglos; die Systeme in Frankreich sind von Pannen geprägt und vereinen die Nachteile von Bus und Straßenbahn. In Wien wurden gelegentlich "Cable-Liner" ins Gespräch gebracht, sie erinnern an die ähnliche Euphorie für die "Alweg-Bahn" in den fünfziger Jahren, die sich als genausowenig praxistauglich und systemfremd herausgestellt hat.

Fotos: der gescheiterte Spurbus Nancy, Cableliner, Alwegbahn

Spurbus Nancy Cableliner Alwegbahn



... und die schönen Fußgängerzonen?

Ein vermeintlicher Vorteil der U-Bahn ist, dass über ihren Tunnels Fußgängerzonen angelegt werden können. Aber: Wenn es möglich ist, die Autos aus diesen Bereichen auszusperren und Platz zu schaffen - warum soll es dann nicht möglich sein, den geschaffenen Platz für Tramwaytrassen zu nutzen?




Buchtipp: "Die Zukunft der Städte"

zur Startseite / Navigationsframe nachladen

Copyright Harald A. Jahn / www.viennaslide.com
Letzte Änderung: 3.11.2025