Wien: Strohfeuer

Nach Einmarsch der deutschen Truppen und Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich entstanden Stadtentwicklungspläne, die zwischen dem historischen Zentrum und der Donau eine gigantische Stadtachse mit Paradeplätzen und anderen pompösen Straßenflächen vorsahen. Dementsprechend sahen die Netzentwürfe der Deutschen Reichsbahn Linien in dieser Orientierung vor. Der Zentralbahnhof taucht bereits damals an der Stelle auf, wo er auch heute geplant wird: zwischen Süd- und Ostbahnhof. Die völlig überzogenen Pläne, die weite Teile des 2. Bezirks ausgelöscht hätten, wurden nicht verwirklicht, da Hitler selbst der Meinung war, die prachtvolle Architektur Wiens benötige keine weiteren Ergänzungen; Anders als oft publiziert bestand daher in Wien nie wirklich die Gefahr einer Realisierung, da Umbauten dieser Größenordnung ohne Zustimmung des "Führers" keinesfalls möglich gewesen wären. Das Ergebnis wäre für Wien jedenfalls fatal gewesen.

An Plänen mangelte es damals nicht, ausgeführt wurde hingegen nur wenig. Nach der ersten Anschlusseuphorie sah die Realität bald anders aus, alle Ressourcen wurden in die Rüstung investiert. Als kriegswichtig eingestuft entstand 1942 noch die Linie 106 als Zubringer zu den Industriebetrieben in Simmering; sie ist für lange Zeit die letzte neugebaute Linie.

Nicht nur die Politik stand weit rechts: Als Anpassung an deutsche Vorschriften wurde auf rechtsfahren umgestellt. DIe Triebwagen mussten zum Teil umgebaut, viele Haltestellen und Gleisverbindungen verlegt werden. Mit der zunehmenden Gefahr von Bombenangriffen wurde die Stadt "verdunkelt". Die Triebwagen erhielten Blenden auf den Scheinwerfern, die Fenster wurden bis auf einen schmalen Sehschlitz blau angestrichen. Schlussendlich nutzte das allerdings nichts - Wien wurde nicht verschont, obwohl sich viele Wiener an die Hoffnung klammerten, dass Österrech als "von den Deutschen besetztes Land" keinen Zerstörungen ausgesetzt würde. Die Wirklichkeit sah dann anders aus.

Vor allem in den letzten Kriegswochen wurde Wien noch von verheerenden Angriffen getroffen. Die Straßenbahner versuchten mit bemerkenswerter Flexibilität, den Betrieb aufrechtzuerhalten; die Linien fuhren auf teils abenteuerlichen Umwegen, oft stark verkürzt. Am 5. April 1945 erreicht die Front die Peripherie, der Verkehr wird bis zum Vormittag des 7. Aprils aufrechterhalten. Wien versinkt im Chaos der Kampfhandlungen, ist einige Tage Frontstadt. Die Brücken über Donaukanal und Donau werden gesprengt. In Straßenkämpfen werden weitere Häuser beschädigt, brennen aus. Der Strom fällt aus, die Oberleitungen sind heruntergerissen, 75% der Tramwayfahrzeuge beschädigt, 10% zerstört. Der deutsche Spuk ist vorbei - aber Wien ist am Ende.


Die Nachkriegszeit

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