Die grüne Stadt

Bei praktisch allen Umfragen wünschen sich die Bürger im städtischen Raum "mehr Grün". Die Metropolen kommen diesem Wunsch mit unterschiedlichem Enthusiasmus nach; in Wien ist die Neubegrünung in letzter Zeit erstaunlich armselig. Grund ist wohl auch der (absichtlich?) missverstandene Wunsch nach guter Übersicht und dem Vermeiden von "Angsträumen"; damit wird das Grünzeug aber auf nieder wachsende dekorative Gräser und Kräuter reduziert, die man unter dem Begriff "Nobelunkraut" subsummieren könnte. Alleen werden, wenn überhaupt, nur noch mit sehr großen Baumabständen angelegt (Ringstraße und andere alte Alleen: ca 6 Meter; Alleen wie die Mariahilfer Straße um 1990: 10 Meter; bei aktuellen Projekten wie Zieglergasse (1070) oder Favoritenstraße (1040) ist der Abstand um die 25 Meter, hier wird keine spürbare Beschattung oder Abkühlung erzielt.

Links: Quellenstraße (um 1959), Baumabstand 6 Meter;
Mitte: Johann-Strauß-Gasse, Halballee um 1989, 10 Meter;
Rechts: Zieglergasse (2019): 25 Meter

Auch am Baumkataster ist das gut sichtbar: Je jünger die Baumpflanzungen, desto schütterer die Alleen. Die Ausschnitte zeigen von links nach rechts die Gegend um die Lassallestraße (1020), den Vergleich Wiedner Hauptstraße / Favoritenstraße (1040) sowie den 7. Bezirk, der in den letzten Jahren mit viel Propaganda "klimafit" gemacht wurde - der Plan deckt auf, wie wenig davon wirklich wahr ist.
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Dazu kommt, dass Restflächen wie Böschungen entlang von Autobahnen oder Bahnstrecken - wichtige Rückzugs- und Brutgebiete von Kleintieren, Insekten und Vögeln - radikal niedergemäht werden, ohne dass es dafür sachliche Gründe gibt. Gerade hier könnten all die Kräuterwiesen gedeihen, die im Stadtbereich derzeit überall als Zierbeete eingesetzt werden, aber ästhetisch unbefriedigend sind (rechts). Private Fachleute und Bürgergruppen schlagen diesbezüglich immer lauter Alarm, ohne dass sich etwas ändert.

Leider sind die Wiener Neubepflanzungen - sei es bei neu gestalteten Parks oder im Straßenraum - in den letzten Jahren einfallslos und dürftig geworden. In den 1980ern/90ern entstanden noch attraktive Parks, oft in Folge von neuen U-Bahn-Strecken; in den letzten 10 Jahren ist es trist geworden. Die allgegenwärtigen "Kräutermischungen" wären, sparsam als Blickfang eingesetzt, durchaus attraktiv; inzwischen gibt es aber nichts anderes mehr als diese billigen Wiesenblumen, die jedoch so empfindlich sind, dass sie teilweise dauerhaft mit Weidenzäunen geschützt werden müssen.

Bilder oben: Der sehr urbane Tigerpark im 8. Bezirk, ein Projekt aus den 1980er Jahren: trotz geringer Größe abwechslungreich, mit einem wunderbar intimen "Grünen Zimmer" als Rückzugsort.
Darunter: Reumannplatz, Am Tabor und Nepomuk-Berger-Platz mit unmaßstäblicher Architektur und unsensibler Materialwahl (unmaßstäbliche Stahltraversen und Betonklötze), dazu "Nobelunkraut" als flächige Bepflanzung.


So liebevoll gestaltet Paris derartige Bereiche:

Auch beim "Straßenbegleitgrün" sieht es in Wien leider finster aus. Die Wildgrasmischungen werden in Kiesbeete gesetzt, was einerseits dürftig aussieht, andererseits keine räumliche Wirkung erzeugt. Städtische Bepflanzung hätte ja mehrere Funktionen: Wasserspeicher, Staubfilter, optische Barriere zum Straßenraum, Schönheit... Die seit einigen Jahren vorherrschende Mode kann von alledem nur wenig. Besonders in engeren Straßenräumen verbrauchen diese Beete Platz, ohne viel Nutzen zu bieten.

Unten: Der neue "Anger" in der Burggasse (1070). Der schmale Streifen böte sich für hochwachsende dichte Büsche an, als Abgrenzung zur vierspurigen (!) Straße; stattdessen Wiesenblumen, die nie ein nennenswertes Volumen erreichen und obendrein mit Zäunen vor Hunden geschützt werden müssen. Das Bild rechts zeigt den Altbestand einen Häuserblock weiter - das Buschwerk bietet Schatten und eine optische Abtrennung.

Leider breitet sich dieser "Stil" in Wien mehr und mehr aus, Kieswüsten statt ordentlicher Bepflanzung, Entfernen von Volumen und Blattfläche, dafür unbeholfene Hilfskonstruktionen und Wassersprühbrunnen, viel zu voluminöse Bauteile.

Als Kontrast dazu Bilder aus Paris: So verwandelt sich die Stadt, wenn man den Wunsch der Bürger und Ökologen nach mehr Grün ernst nimmt. Es ist die Stadt von morgen, die in Harmonie mit der Natur und den Bedürfnissen der Menschen trotz dichter Bebauung höchste Lebensqualität bietet.





Fachartikel: Frankreichs Städte gestalten ihre Plätze neu (PDF)

Kiesbeete in Wien: im Schotter der MA 42 - Blogartikel auf NatureSpots

Die Antwort der MA 42 überzeugt nicht wirklich

Fotosammlungen:

Begrünte Straßen und Plätze (Wien) mit weiteren Informationen bei den Bildern
Begrünte Fassaden (Wien)
Begrünte Straßen (Paris)
Begrünung im öffentlichen Raum, Nizza
Grünräume in Stadtentwicklungsgebieten (Paris)
Zeitgemäße städtische Parkanlagen (Paris)
Die "Promenade plantée",ein Park auf einer stillgelegten Bahntrasse (Paris)



Buchtipp: "Die Zukunft der Städte"

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