Die Geschichte der Wiener Hauptbahnhöfe

Text von Harald A. Jahn

Der Westbahnhof nach dem Umbau 2010

Die neue alte Halle des Westbahnhofs wurde am 22.12.2010, nach nur 2 Jahren Umbauzeit frisch renoviert präsentiert.

Ein kleiner Architekturexkurs vorab - warum war der Westbahnhof (im Gegensatz zur alten Südbahnhofhalle) schützenswert? Hier ein Auszug aus Michael Sudas Beschreibung (kompletter Text hier):

Durch zwei Eingänge betritt man die große Wandelhalle. Der Form nach ein großer Quader aus Betonpfeilern mit dazwischenliegenden großen Fensterflächen und flachem, blechgedeckten Walmdach, ist sie außen mit Naturstein verkleidet. Sie wurde so angelegt, dass aus dem vom Gürtel zu den Bahnsteigen früher sanft ansteigenden Gelände eine Stufe wurde, die die Halle in eine obere und eine untere Ebene teilt. Im Gegensatz zur Halle des Südbahnhofs, die nur ein düsterer, leerer Raum zu sein scheint, wirkt der Westbahnhof hell, lichtdurchflutet und im positiven Sinn monumental. Eine Reihe hoher Pfeiler mit Verkleidung aus poliertem Granit an der Stufe von der unteren zur oberen Hallenebene stützt die Decke, die in Kassettenfelder gegliedert ist. In der Wandstufe zur oberen Hallenebene sind die Fahrkartenschalter eingebaut. An der rechten Schmalseite der Halle befindet sich der Durchgang zur Gepäckaufbewahrung und -abfertigung, an der linken befand sich ursprünglich der Eingang zur "Schwemme" des Bahnhofsrestaurants

Für mich immer eindrucksvoll war die klare Teilung der Halle durch die mittige Säulenreihe, die auch den Höhensprung definiert hat, und die durch die beiden Stiegenabgänge klar durchdrungen wurde. Meiner Meinung nach waren die beiden die Ebenen verbindenden Stiegen ein zentrales Element der Architektur, und die Anordnung der Fahrkartenschalter dazwischen genial: kommt man vom Gürtel in den Bahnhof, waren sie das erste, was man sah.

Meine Bilder der leergeräumten Halle zeigen den klaren Entwurf und die großzügige Anlage ein letztes Mal. Natürlich wucherten auch in der Westbahnhofshalle über die Jahrzehnte diverse parasitäre Baukörper - rechts das Reisezentrum, links der Glasturm der U-Bahnstation - aber die konnten den Bestand nicht nachhaltig ruinieren. Nun hat man diesbezüglich aber Nägel mit Köpfen gemacht.

Die Grundfläche der unteren Halle wurde an beiden Enden um zwei Säulenfelder verkleinert, die Stiegenaufgänge dafür in den Höhensprung hineingedrückt. Sie - und damit die klare Ablesbarkeit der Erschließung - sind damit nicht mehr spürbar, auch der Höhensprung als frühere Barriere ist nun aufgelöst, man kann da nun ins Reisezentrum hineingehen. Als neues raumdominantes Element fallen jetzt aber die beiden Terrassen auf, die quer in den Saal gespannt sind - die untere überdeckt 40% der ursprünglichen Hallengrundfläche, nimmt aber wenigstens die Höhenlage des Bestandes auf; die obere erscheint als massiver Prügel, der der Halle den ursprünglichen klaren Abschluss nimmt: sie "versickert" jetzt quasi in die angrenzenden neuen Baukörper. Das diese Terrassen auch von aussen durch die großen Glasfenster zum Gürtel zu sehen sind und diese waagrecht durchschneiden ist da fast schon egal.

Wirklich schlimm wird es aber im oberen Hallenteil. Irgendeine Großzügigkeit ist dort nicht mehr vorhanden, massive graue Kojen füllen die Fläche - es sind die Schanigärten der Schnellrestaurants. Die in Richtung Bahnsteige verschobenen Stiegen nehmen nochmal etliches von der Grundfläche, dazu kommen schon jetzt Infopavillon und sonstiges Krimskrams. Falsch verstandener Denkmalschutz at its worst - auch wenn das Ziel der Nutzflächenmaximierung klar war, so hätte es nicht enden müssen.

Weiterer Kritikpunkt: Die Verbindung von der U-Bahn zum Bahnhof. Anders als früher führen die Rolltreppen nicht mehr direkt in die Halle, der Fahrgast landet nun im Tiefgeschoß und muss künftig durch das Einkaufszentrum, bevor er dann über weitere Rolltreppen in der unteren Halle des Bahnhofes kommt.

Dass man die neuen Teile an den Bestand anpasst hätte ich weder erwartet noch verlangt; dass man aber die Dimensionen so wählt, dass sie den Altbestand schwer beeinträchtigen war absolut unnötig und hinterlässt den Eindruck, man wollte zeigen, wie verärgert man über die Forderungen des Denkmalschutzes war. Was hier gebaut wurde ist wieder mal tiefste Provinz.

Bildersammlung: Der zweite Westbahnhof ab 1949

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