Straßenbahn in Frankreich - Strasbourg

Zur Eröffnung war es ein Meilenstein; Strasbourg hat ab 1994 die schönste Tramway Europas geschaffen: fast lautlos gleiten futuristische Fahrzeuge auf Rasengleisen durch die Straßen, gesäumt von Fachwerkhäusern. Ein harmonisches Gesamtbild von wunderbarer Architektur und High-Tech des 21. Jahrhunderts.

Ist Frankreich mit seinen zahlreichen neuen Verkehrssystemen sowieso schon Vorreiter der neuen Welle von Tramwaybetrieben, stellt Strasbourg wohl einen Höhepunkt dar. 1989 entschied man sich bewusst gegen eine U-Bahn mit ihren dunklen Gängen. Man wollte eine offene, helle Straßenbahn, die (mit Ausnahme des Bahnhofs-Tunnels) stets oberirdisch fährt. Nach 34 Jahren fährt seit Herbst 1994 wieder eine Tram.

Oben: Die Endstation Hoenheim-Gare wurde von der Architektin Zaha Hadid gestaltet. Ein großer Park&Ride-Platz bietet zusammen mit günstigen Tagestickets Anreiz zum Umsteigen. Die Tram fährt direkt ins Zentrum, dort wurde Autofahren bewusst unattraktiv gemacht. Unten: Homme de Fer, der große Kreuzungspunkt im Stadtzentrum.

Sehr großen Wert legt man in Frankreich auf die qualitätsvolle Ausstattung der Strecke und der Stationen. Rasengleis an jeder möglichen Stelle ist selbstverständlich, neben guter Optik führt das zu bester Lärmdämmung.


Wie üblich wusste man auch in Strasbourg das neue Verkehrsmittel mit eleganten Stationen adäquat in Szene zu setzen. Die Bahnsteige sind etwa 35 cm hoch, diese Stufe ist noch gut stadtbildverträglich, macht aber keine extreme Tiefstflurbauweise mit allen Begleitproblemen wie in Wien erforderlich.



Die vollklimatisierte Fahrzeuge der ersten Generation wurden entgegen der französischen Gepflogenheit nicht von Alsthom, sondern von ABB gebaut und haben sich nach Auskunft des Fahrpersonals gut bewährt. Die ungewöhnliche Konstruktion mit kurzen Fahrgestell- und langen Zwischenelementen vermeidet zu hohe Achslasten und bietet genug Platz für den Antrieb. Die Wagen sind geräumig, die riesigen Türen sind für die Klimaanlage trotzdem kein Problem.

Die "Eurotram" besticht durch sensationelles Design und gelungene Platzaufteilung. Die in deutschen Wagen so störenden Radkästen fehlen völlig, sogar der Gelenkbereich ist relativ frei. Die Türen sind genauso breit wie eine Sitzgruppe, Klappsitze machen den Einstiegsraum der jeweils geschlossenen Seite nutzbar. Die tiefgezogenen Fenster und die großer Türen vermitteln den Eindruck eines rollenden Gehsteiges; in den Stationen verschwinet praktisch ein großer Teil der Fahrzeugwand. Die Inneneinrichtung ist gewöhnungsbedürftig, aber ergonomisch durchdacht - dies gilt auch für den Fahrerplatz. Die Bildschirme ersetzen Rückspiegel, mit einer guten Detaillösung: In der Station überwachen zwei Kameras die Türseite von vorne und hinten, auf der Strecke wird auf links und rechts vorne umgeschaltet. Die Videokameras sind in den kleinen Ausbuchtungen versteckt, die auf den Bildern hinter dem vordersten Seitenfenster gut zu sehen sind.


Zwischen dem Beschluss, das neue System einzuführen, und der Eröffnung liegen 5 Jahre, nach denen sich das Bild der Stadt grundlegend gewandelt hat. Heute gleiten die eleganten Wagen durch die neue Fußgängerzone, der wunderschöne Stadtkern hat einen Investitionsschub erfahren. Die Strasbourger Tramway prägt mit ihren dunkelgrauen Zügen das Stadtbild und vermittelt auf den ersten Blick Modernität pur. Wie so oft in Frankreich setzt man in der Stadtgestaltung auf den spannenden Kontrast zwischen alter Architektur und moderner Technik.

Obwohl die erste Serie der neuen Eurotram ihre Kinderkrankheiten hatte (Elektronik, Türen, Motoren), waren schon nach wenigen Monaten die Fahrgastprognosen weit übertroffen. Prognostiziert waren 55.000 Fahrgäste pro Tag; Allein die Tram A beförderte aber bald an normalen Tagen über 80.000, zu besonderen Gelegenheiten wie dem Weihnachtsmarkt sogar 180.000 pro Tag!

Inzwischen erhielten die Eurotrams Gesellschaft durch speziell konstruierte Citadis-Züge, die ausnahmsweise ein führendes Drehgestell erhielten. Die Laufqualität ist damit exzellent.

Wie beliebt die Tram ist, zeigt übrigens die folgende Begebenheit: Seit den Wahlen Anfang des Jahres 2001 hatten die "Linken" ihre Mehrheit im Stadtparlament verloren. Die neue Mehrheit hatte sich für eine "autogerechtere Stadt" eingesetzt. Nach der Wahl wurde bekannt, dass an 3 großen Kreuzungen in Strasbourg die Vorrangschaltung für die Tram aufgehoben worden war (angeblich testweise). Ein Aufschrei von Empörung ging durch die Stadt - Stadtverwaltung, Gemeindevertreter und Zeitungen wurden mit Beschwerden überhäuft. Die neuen Bürgermeister beeilten sich zu verkünden, dass diese Maßnahme ohne ihr Wissen erfolgt sei und dass ab sofort die Tram sich wieder wie gewohnt alle Ampeln auf freie Fahrt schaltet... Wie zügig eine Straßenbahnfahrt in Strasbourg verläuft zeigt dieses Video:

Nachdem 2013 die Linien A und D im Westen verlängert und eine neue Bustrasse (Bus G, der erste "Bus à Haut Niveau" in Strasbourg) eröfnet wurde, wurde 2017 die Straßenbahn über den Rheinhafen und eine neue Flussbrücke in das deutsche Kehl gebaut. Hier entsteht ein gigantisches Stadtentwicklungsgebiet, "Le quartier des deux rives", im Bereich des alten Rheinhafens - Strasbourg soll mit Kehl zusammenwachsen.

Verlängerung der Tramlinie D nach Kehl (offizielle Seite)
'Vierzig Wagen ostwärts' - Artikel in Forum Mobil



Auch darüber hinaus wird das Netz weiterentwickelt: 2016 wurde im Süden die Neubaustrecke der Linie A von Illkirch-Lixenbuhl nach Graffenstadten eröffnet und die Linie E von Baggersee nach Campus d'Illkirch auf bestehenden Gleisen verlängert (je drei Stationen). In Campus d'Illkirch enstand für die Linie E eine zweigleisige Wendeanlage; die Verlängerung nach Illkirch wurde dagegen eingleisig ausgeführt; ein Kompromiss, der endlich die lange fehlende Verbindung in Strasbourgs zweitgrößte Umlandgemeinde ermöglichte.

Die inzwischen geringer gewordenen Zuschüsse verzögern den weiteren Ausbau. Um je drei Stationen soll die Linie E von Robertsau nach Norden weitergebaut werden ("Jardiniers", "Mélanie", "Papeterie-Niederau"); Richtung Koenigshoffen im Westen wurde die Linie F ab der Station "Faubourg National". Die Vorläufige Endstation ist seit 2019 an der Allée des Comtes - eine stark reduzierte Variante zum ursprünglich vorgesehenen Ausbau. Auch die Anrainer sind nicht begeistert, da damit die Linie F (derzeit folgt sie der Linie B Richtung Süden) das Intervall der Linie B nicht mehr halbieren wird. Die logischere Verlängerung der Linie C, die am Bahnhof endet, war wegen der Querung der bestehenden unterirdischen Tramwaystation angeblich zu schwierig. Inzwischen gibt es hier aber eine neue Entwicklung: Im Mai 2023 stellte die Bürgermeisterin große Umbaupläne für den Bahnhofsvorplatz vor. Er soll autofrei, die Straßenbahn im Bogen um die unterirdischen Strukturen geführt werden; Die Tiefgarage soll zur Fahrradgarage umgebaut, für PKW hinter dem Bahnhof eine neue Hochgarage gebaut werden.

Die Vorstellung des Projekts

Inzwischen ist die Tramway von Strasbourg ein wenig Opfer ihres Erfolges. Die zentralen Bereiche sind oft überlastet, vor allem der Knoten Homme de Fer ist ein Nadelöhr; weitere Ausbaupläne zielen daher vor allem auf die Entlastung der Innenstadt ab, so soll die tangentiale Schnellbuslinie H zur Straßenbahn ausgebaut werden.

Hier die ursprünglichen Pläne aus 2011 bzw 2013, ganz rechts das Zielnetz der CTS; derzeit wird die Strecke nach Norden nach Schiltingheim und über die Avenue des Vosges zur Pl. de la Republique vorbereitet (mittlerer Plan - die Strecke nach Westen nach Koenigshoffen ist inzwischen bis Comtes fertiggestellt, die Westverlängerung bis Wolfisheim ist ebenfalls in Planung).



Danke an Franz Roski, Strasbourg für häufige Hilfe und viele Informationen!

Die Strasbourger Verkehrsbetriebe

Gleisplan




Die Zukunft der Städte, Seite 64

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Letzte Änderung: 9.10.2023